Für die einen ist es ein Verschnaufen mitten in der Arbeit, eine Auszeit mit ausgelassenen Freuden in schwindelerregenden Fahrgeschäften, beim treffsicheren Luftgewehr-Rosenkavalier oder beim Looping, der nicht nur das geliebte Fischbrötchen die Schwerkraft lehrt. Für die anderen ist es ein aufregender Familienbummel mit vielen Leckereien am Wegesrand der bunten Budenstadt oder eine wundervolle Aussicht auf Düsseldorf am höchsten Punkt des Riesenkarussells. Aber für eine große Gruppe wiederum ist es Ehrensache oder gar Verpflichtung, Teilnehmer an der „größten Kirmes am Rhein“ zu sein, die Ihren Ursprung zwischen Heiligenverehrung und sportlichem Wettstreit hat.
Hochtechnisierung und Nervenkitzel, der kaum noch zu toppen ist, lässt aber Gottseidank immer wieder Plätzchen zu Muße, Genuss oder Staunen in Kinderaugen. Dafür sorgen die Geister im Hintergrund der Schausteller-Stadt-Organisation, z.B. einen Kirmesbürgermeister, einen Kirmesarchitekten oder auch den umtriebigen Chef des Schaustellerverbandes Bruno Schmelter. Es gibt auch beliebte Treffpunkte wie diverse Großzelte, die von ansässigen Brauereien betreut werden, das „Französische Dorf“ und natürlich das Riesenrad, auf dem man einen wunderschönen Blick auf die Landeshauptstadt und ihre Rheinuferpromenade werfen kann. Eine kleine Attraktion ist auch der Fährschiffsbetrieb von dem Altstadtufer zur Festwiese und zurück.
In neun Tagen wird den etwa 4,5 Millionen Gästen aus Düsseldorf, aus Deutschland, aus den Benelux-Ländern und aus anderen Ländern in ca. 330 Vergnügungsbetrieben und Kirmesbuden ganz schön etwas abverlangt, wenn sie die fast 5 Kilometer lange Front der Budenstadt ablaufen. Hierzu auch noch ein besonderer Hinweis des Veranstalters, des St. Sebatianus Schützenvereins Düsseldorf 1316 e.V.: „DieGrößte Kirmes am Rhein bietet…auf den Oberkasseler Rheinwiesen z.B. deutlich mehr Fahrgeschäfte als das Münchener Oktoberfest. Und dennoch ist sie die deutschland- und wahrscheinlich auch europaweit einzige Großveranstaltung dieser Art, die in der Verantwortung eines Schützenvereins mit ehrenamtlichem Engagement organisiert wird.“
Ablauf der Festtage (ohne Gewähr):
Am Sonntag vor der feierlichen Kirmeseröffnung, die samstags stattfindet (2006 = 15. Juli), also am 9. Juli 2006, wird mit dem Herausholen der geschmückten Goldenen Mösch (goldener Vogel) aus dem Rathaus das Schützen- und Heimatfest angekündigt. Danach erfolgt dann am Samstag, den 15. Juli unter Beteiligung von Oberbürgermeister, vielen Ehrengästen, Schützen und Schaustellern die offizielle Eröffnung der "Größten Kirmes am Rhein".
Ein historischer Festzug durch die Altstadt, eine große Parade in der Reitallee und ein anschließender Festgottesdienst in der Basilika St. Lambertus stehen am folgenden Sonntag im Mittelpunkt der Schützen-Aktivitäten. Für die Düsseldorfer und seine Gäste immer ein Anlass zur Freude an den bunten Bildern von Pferden, Kutschen, Reitern und Fußvolk.
Die feierliche Investitur (Amtseinführung) des Schützenkönigs findet montags vom historischen Balkon des Rathauses statt.
Pink Monday…Schwulen und Lesbentag auf der Kirmes
In den vergangenen 20 Jahren entwickelte sich der Brauch des "Pink-Monday". Montags treffen sich gut 50.000 Homosexuelle auf der Kirmes. Der Pink-Monday ist somit das größte Event für Schwule und Lesben in Düsseldorf.
Dienstagabend wird der neue Schützenkönig mittels Schießen auf den Königsvogel gekrönt. An diesem Abend gibt es weitere Feierlichkeiten wie Ehrungen, Verleihung des Stadtordens und Aufführung des Großen Zapfenstreiches im Festzelt.
Weitere Höhepunkte des Schützen- und Heimatfestes sind der Gottesdienst und die Schrein-Prozession anlässlich des Festtages des Düsseldorfer Stadtpatrons St. Apollinaris am Donnerstagabend (2006 = 20.7.).
Großer Krönungsball des neuen Schützenkönigs und aller Kompanie-Königspaare des Regiments folgen am Freitagabend. Mit Eintritt der Dunkelheit folgt dann Freitag auch das Super-Feuerwerk mit Uferbeleuchtung.
Der „Tag der Interessengemeinschaft Düsseldorfer Schützenvereine“ am Sonntag beschließt dann traditionell das Schützen- und Heimatfest, das alle Welt als „Größter Kirmes am Rhein“ kennt. An diesem Tag werden der Stadtkönig und der Stadtjungschützenkönig ermittelt.
Überall gibt es Kirchmessen
Bleibt noch zu erwähnen, dass nicht nur einmal im Jahr und nicht nur auf der Oberkasseler Festwiese eine Kirmes stattfindet. Schützengesellschaften verteilen sich über ganz Düsseldorf verteilt und somit werden auch in verschiedenen Stadtteilen entsprechende Volksfeste gefeiert. Jahreszeitlich bedingtes Kirmes-Vergnügen gibt es z.B. bei der „Osterkirmes“ auf dem Staufenplatz in Düsseldorf-Grafenberg.
Hier wie zu anderen Kirmestagen könnte das Lied aus dem Jahre 1810 passen:
„Wieder ist die Kirmes da,
Heisa, Hupsa, Hopsasa!
Höret wie die Glocken beiern,
Lasset uns die Kirmes feiern
In der Stadt, vor der Stadt,
die so schöne Mädchen hat.
Nach dem fetten Kirmesschmaus
Wandert man zur Stadt hinaus,
Himmel! Welche bunte Gruppen,
Welche Herrchen, welche Puppen,
In der Stadt, vor der Stadt,
die so schöne Mädchen hat.“
Entwicklung Schaustellergeschäfte:
1650 Rutschbahnen auf Holzgerüste
1766 erste „Hutschen nach niederländischer Art“(Schaukeln)
1826 „Holzpferde in edler Bewegung“ (Pferdekarussell)
1890 Berg- und Talbahnen, Riesenrad
Ende 19. Jh. „Hau den Lukas“
1908 erste transportable Achterbahn in Deutschland
1920er Raupenbahn, Geisterbahnen, erste Autoskooter
1986 Vierer-Loopingbahnen
1992 „Evolution“ – Größtes Flugkarussell
1995 „Eurostar“, erster Einsatz war in Düsseldorf
2005 „Imperator“ – weltgrößtes Flug-Karussell, „Techno Power“ für die Jugend
Weitere Informationen: Kirmesorganisation Platzkommission Fax. (0211) 46 95 49 7
Oder beim Veranstalter: Sankt Sebastianus Schützenverein 1316 e.V. www.schuetzen-1316-duesseldorf.de, Beckbuschstr. 10, 40474 Düsseldorf
Lothar Inden ist seit April 2005 der derzeitige 1. Chef der St. Sebastianus-Schützen.
Von der kleinen Kirchmesse zur größten Kirmes
Das Wort Kirmes entwickelte sich aus dem Begriff Kirchmesse, die mit gutem Essen und auch Tanz gefeiert wurde, wie eine Messe oder ein Jahrmarkt, rund um das Gedenken einer Kirchweihe. Mit der Kirchweihe wiederum ist der Gedenktag des Kirchenpatrons eng verbunden. Wenn der Todestag eines Heiligen nicht bekannt war, dann wurde der Tag gefeiert, an dem mit seinem Namen die jeweilige Kirche geweiht wurde. Für Düsseldorf soll ein solches Kirchweihfest mit traditionellem „Vogelschießen“ und einem Patronatsfest seit 1435 belegt sein. In einer Chronikauflistung ist für 1190 schon verzeichnet: „Herzog Gerhard erlaubt, nach dem Vogel zu schießen“. Geistliche Feier und weltliches Vergnügen haben also schon sehr früh zueinandergefunden und gibt dem heutigen Publikumsmagneten eine jahrhundertealte Tradition mit auf den Weg.
„Die Größte Kirmes am Rhein“, dieser werbewirksame Begriff stammt etwa aus der Zeit um 1970, hat aber immer noch einzig zwei Feier-Anlässe: Das Kirchweihfest der katholischen Basilika St. Lambertus und das Fest des Stadtpatrons St. Apollinaris (von Ravenna), dessen Reliquien in Düsseldorfs Mutterkirche St. Lambertus aufbewahrt werden.
Es soll nun auch einen Namensstreit geben zwischen den Ausrichtern der Kirmes und der katholischen Kirche in Düsseldorf. Um den religiösen Hintergrund nicht in Vergessenheit geraten zu lassen, strebt die katholische Kirche eine Umbenenung („Apollinaris-Kirmes“) an, die aber der St. Sebastianus-Schützenverein ablehnt, weil der werbewirksame Namen „Größte Kirmes am Rhein“ schon fest in den Köpfen der Besucher verankert sei und mit diesem Namen auch ein Millionen-Umsatz jedes Jahr geschaffen würde.
Zur „Größten Kirmes am Rhein“ passt dann auch die Bezeichnung des Volksmundes für die Pfarrkirche St. Lambertus: „Grote Kerk“, der Dom von Düsseldorf.
Pilger in der Stadt
Früher wäre „Apollinaris-Kirmes“ sicherlich auch für einen großen Umsatz gut gewesen, denn wie in anderen Städten haben Reliquien auch in Düsseldorf Scharen von Pilgern und Besucher angelockt. Je mehr Reliquien, um so wichtiger waren sie für Pilger, die Geld in der Stadt zurückließen…Pfarrpatron der Mutterkirche ist der Hl. Lambertus, der als Märtyrer in Lüttich wegen seines Glaubens im Jahre 705 ermordet wurde. Das Kirchengebäude mit dem heutigen Aussehen entstammt etwa dem Jahre 1394, seit dem selben Jahr wird der Hl. Apollinaris als Stadtpatron verehrt. Mit Reliquien versuchte gegen Ende des 14. Jahrhunderts Herzog Wilhelm von Berg seine Stadt am Rhein noch attraktiver für Besucher zu machen und für einen weiteren Aufschwung im sozialen und religiösen Bereich zu sorgen. Heilige, die Berührung und die Verehrung ihrer Reliquien waren aber auch eine Art Zugang für die Menschen in die Welt zu Gott und in damaliger Zeit waren das alltägliche Leben und die Religion untrennbar. Seit 1383 befinden sich die Gebeine von Apollinaris in Düsseldorf --- aber ohne Kopf – der ist in Remagen aufbewahrt und war nur zwischen 1812 und 1826 kurzfristig in Düsseldorf. In einer Fehde gegen den Abt von Siegburg Remagen siegte der Herzog 1383 und holte als Siegesbeute den heiligen Apollinaris nach Düsseldorf. Seine Beute sicherte er vor Rückforderungen, indem er beim Papst Bonifaz IX. erreichte, dass der Hl. Apollinaris zum Stadtpatron erhoben wurde. 1394 wurde die Kirche der Gottesmutter Maria geweiht und als Nebenpatrone gab es den Hl. Lambertus, den Hl. Thomas, Pankratius, die Kölner Bischöfe Serverin und Anno und eben den Hl. Apollinaris.Seine Gebeine ruhen heute in einem kostbaren Schrein (1665) im Pfarraltar der Kirche, gleichsam im Mittelpunkt der Stadt. Der 23. Juli wird als Festtag des Apollinaris gefeiert, wobei dieser Tag auch immer mitten in den Tagen der „Größten Kirmes am Rhein“ liegt. (Wer keinen Kalender hat, aber zur großen Kirmes kommen will, braucht sich also eigentlich immer nur den 23. Juli bis in alle Ewigkeit zu merken!) Im Jahr 2006 ist es der letzte Kirmestag und weil immer am Donnerstag vor dem Ende der Kirmes die große „Apollinaris-Prozession“ in der Innenstadt stattfindet, wird diesmal der 20. Juli der Festtag des Stadtpatrons sein.
APOLLINARIS-LIED:
Heiliger Apollinar, mächtig und wunderbar,
Zuflucht und Schutzpatron unserer Stadt.
Blick auf das Volk herab, dass deinem Hirtenstab,
deiner Fürsprache ergeben sich hat.
Unsre Gemeinde schütze vor Feinde Leibs und der Seele,
erbitte bei Gott und die Befreiung von jeglicher Not.
Seit 1901 sind die Oberkasseler Rheinwiesen zwischen Rheinknie- und Oberkasseler Brücke als „Festwiese“ jedes Jahr fest in den Terminkalender eingeplant. Davor fand das Volksfest seit 1875 auf der „Golzheimer Insel“ statt; etwa dort, wo manchmal der Circus Roncalli heutzutage seine Zelte aufbaut oder Freizeitkicker über die großen Wiesen dem Ball hinterherjagen. Ab 1824 waren der Hofgarten und die Flächen rund um das Ratinger Tor bis hin zum Sicherheitshafen mit Kirmesbuden, ersten Fahrgeschäften und der „Schützenwiese“ belegt und lockten zahlreiche Besucher aller Schichten und jeden Alters an. Aber wie immer hat doch alles in der „Unterhaltungs-Industrie“ auf einem Jahrmarkt angefangen… Gaukler, Puppenspieler, Heilkünstler, erste Karusselle, Tanzbären, Seiltänzer, Musiker oder Mitte des 17. Jahrhunderts auch schon Holzrutschbahnen waren die ersten Kirmesattraktionen bis dann Erfindergeist und Vergnügungssucht immer raffiniertere und einträglichere Angebote für die Kirmesbesucher entwickelten. So wird heute jedes Jahr immer mit noch größeren, höheren und schnelleren Attraktionen geworben.
1884 widmete Albert Mingels
im „Düsseldorfer General-Anzeiger“ „denne alde Düsseldorfer
Schötze on Jonges“ folgende Liedausschnitte:
„Ons Kermes, die es doch zu prächtig on nett,
Dat heeßt, wenn mer nur an de Föß noch jett hät,
Schön es de P’rade
En dem Hoffgahde.
Dann wöhd gegange
Hin noh de Stange.
Orgel met Schelle
Op Karusselle,
setze wie praht
Weitches am Staat.
Seildänzer, Kunstreiter, Menagerie,
Herzkes, geschmenkt on gepudert wie nie,
On wo der „Türkische Harem“ ze senn,
Fuscht sich manch Alde erenn!
Fröh morgens, dann geht schon de Tromm durch de Stadt –
Kömmt dann grad der Kaffee, so eß mer glich satt;
Blatz, mörv on lecker,
Vom Knühzkesbäcker,
Kann ons nit halde,
Jonges wie Alde
Löft an de Dhöre,
Musik ze höre,
Denn kömmt der Zog,
Hät mer genog.
Jetz wöhr sich pröpperkes ahn als gedonn,
Kermes moß Alles nom Schötzeplatz gonn,
Buure, Zoldate met Weiter em Ärm,
Drenke on sprenge sich wärm.
Et Meddags, dann hät och die „Ahl“ god gesorgt,
On es och dä Schenk on dä Brohde geborgt,
Jüppke met Bällches,
Ähze met Möllches,
Schaffu on Brohde
Sind goot gerohde,
On noh de Pruhme
Leckt mer der Duhme,
Rießbrei on Schlaht,
En wahre Staat!
Köhm doch ons Kermes als sechsmol em Johr,
Blew onse Mage beständig em Flor,
Jonges on Weiter, of jong oder alt,
Freut öch on bützt, dat et knallt!
…aber woher kamen die Schützen, wann tauchten sie zum ersten Mal in Düsseldorf auf?
Neben den Buden und Fahrgeschäften gab es auch die zeitgleichen Veranstaltungen der Schützen. Sie schossen den Vogel von der Stange oder übten sich im Scheibenschießen, was immer schon zu den Glanz- und Höhepunkten der Volksfreuden seit dem 15. Jahrhundert gezählt haben soll. Festliche Schieß-Wettbewerbe mit Armbrust, Büchsen oder mit beidem fanden auch über Jahrhunderte auf Schießfesten mit oder in anderen Städten statt. Bekannte Schützenkönige der damaligen Anfangsjahre waren z.B. Herzogin Jacobe von Baden (1591) oder Johann Wilhelm II (1681, 1683).
Nach Fest-Schießveranstaltungen wie z.B. 1587 mit dem Schützenverband der Bergischen Städte oder 1847/48 das große „Rheinisch-Westfälische Freischießen“ wurde 1927 die Gründung der Interessengemeinschaft Düsseldorfer Schützenvereine e.V. beschlossen und festigte somit die Düsseldorfer Schützentradition.
Das Gründungsjahr des Schützenvereins wurde 1954 in einer Generalversammlung mit einstimmigem Beschluß auf 1316 festgelegt: „…nachdem Ehrenchef Georg Spickhoff einen Auszug aus einem Bruderschaftsbuch aus dem Pfarrarchiv St. Rochus beibringen konnte. Demnach wurde um das Jahr 1316 zur Pflege der Pestkranken in unserer Vaterstadt eine Bruderschaft unter dem Schutz des hl. Sebastian gegründet. Als erste Wohltäterin wird Jutta von Pempilfurde (Pempelfort), Besitzerin zweier Höfe im Bereich des heutigen Schlosses Jägerhof, genannt. Sie starb im Jahre 1316.“
Schützer der Heimat
Wie der Name es schon sagt, sind es „Schützer“ der Heimat, der Stadt oder des Landes.
Im Jahre 1288 bekam die kleine Ortschaft Düsseldorf nach bekannter Vorgeschichte (Schlacht bei Worringen) die Stadtrechte verliehen. Diese Stadt galt es nach außen mit einem Wehr- oder Wachdienst zu schützen. Für Ordnung und Sicherheit sorgten Feldhüter, Nachtwächter, Fremdenpolizei oder Passantenschreiber, aber auch die Schützen.
Von den Stärken einer befestigten Stadtummauerung und von der Qualität der Bewaffnungen hingen oft Siege oder Niederlagen ab. Und von dem Umgang mit den Waffen durch ungeübte Bürger sicherlich auch. Eine Überprüfung, eine spielerische Kontrolle und Übung zur Leistungsfähigkeit könnten durchaus zu regelmäßigen Schießübungen oder „Schießfesten“ beigetragen haben, die im volksfestähnlichen Rahmen immer mehr zu Schützenfesten, auch zeitgleich mit „Kirchweihfesten“, auswuchsen.
Schützen waren eine waffengeübte Kerntruppe, der eine Art Wehrdienst unterlag. Dieser Dienst besagte z.B. 1454, dass die Stadt und Bürgerschaft 25 Mann zu Fuß zu stellen hatte, wenn der Herzog ins Feld zog. Für das Jahr 1500 wurden dazu 20 Schützen mit Armbrüsten und Büchsen verpflichtet, was in späteren Jahren Söldner übernahmen. Bei diesen Diensten hatten Bürger der Stadt bestimmte Teile der Stadtbegrenzungen zu bewachen, was sicherlich zu einem bildhaften „engen Verhältnis“ zur Stadt führte. Auch gab es Regeln in der Stadt, wenn z.B. die Alarmglocke ertönte, dann musste jeder erwachsene Mann an einem bestimmten Platz an der Mauer erscheinen. In einer Alarmordnung von 1635 hieß es, dass ein jeder auf „ein gut und sicher Gewehr“ gesetzt wurde. Bei Nichterscheinen drohten Bürgerrechtsverluste, „Leibesstrafe“ oder gar Verbannung.
Schützen bei Prozessionen
In verschiedenen Gildebriefen steht, dass die Schützengesellschaften auch gegründet wurden, „um wider die herumstreifenden Diebes- und Räuberrotten in den Waldungen… angestellt und gebraucht zu werden.“ Schützen sollen auch in Wehr und Waffen zum Schutze von religiösen Umzügen aufgeboten worden sein, weil des öfteren Monstranzen und andere Kostbarkeiten aus der Prozession geraubt wurden. Dies ist vielleicht der Ursprung der Begleitung der Schützen bei Prozessionen heutiger Tage, wobei aus der Schutzeskorte ein Ehrengeleit geworden ist. Speziell ausgesuchte Schützen gaben beim Segen neben dem Traghimmel Ehrensalven aus ihren Flinten ab, was aber z.B. Mitte des 18. Jahrhunderts strikt verboten wurde. Auch war es schon damals Brauch mit Musikkorps, Fahnen und der St. Sebastianus-Statue in einem Zug dem Traghimmel zu folgen. Hierbei gab es auch finanzielle Unterstützung zur Beschaffung von besonderen Kleidungsstücken zur „Gottestracht“. Auch die damalige französische Regierung duldete „keine Aufzüge mit Schießgewehren in ungewöhnlichen Kleidungen und Verzierungen.“
Bei der Organisation der Schützenvereinigungen standen die gewerblichen Zünfte anscheinend Pate. Denn genauso wie sie waren die weltlichen Schützen mit einer religiösen Bruderschaft verbunden. Zusammenfassend kann man bei den Statuten von 1435 festhalten, dass es kirchliches Bestimmungen gab, in denen verpflichtende Besuche bei Messen, Bestattungen von toten Brüdern und Schwestern oder Spenden von Kerzen vorgeschrieben wurden. Karitatives finden sich in Bestimmungen zur Übernahme von Bestattungskosten, wenn es für die Hinterbliebenen nicht möglich war oder in der Unterstützung für verarmte Schwestern und Brüder. Es war ein Gebot bei bestimmten Mahlzeiten, z.B. dem Königsmahl, anwesend zu sein und auch als Streitschlichter zu fungieren. Militärische Bestimmungen gehörten natürlich inklusive der Besitzregelungen einer Armbrust unbedingt dazu.
„Alt-Schützen“ trugen ihre Schieß-Wettkämpfe mit der Armbrust aus und „Jung-Schützen“ setzten die Büchse (Gewehre) ein. Aber es gab auch noch gemischtes Schießen, z.B. im 17. Jahrhundert, wo zuerst mit Gewehren geschossen wurde und nur die letzten Schüsse auf den Vogel wurden mit der Armbrust abgegeben. Mitte des 18. Jahrhunderts gründete sich auch eine rein bürgerliche und interkonfessionelle Schützengesellschaft.
Einmal Schützenkönig sein
Der Heilige Sebastian wird mit großem Abstand als häufigster Patron von Schützen-gesellschaften verehrt, etwa ein Viertel von den der „Interessengemeinschaft Düsseldorfer Schützenvereine“ angeschlossenen Vereinigungen hat andere Schutzpatrone.
Höhepunkte im Jahr eines Schützen war und ist das Patronatsfest, also des Namensgebers, und das eigene Schützenfest. Besuche und die Teilnahme an Schützenfesten von anderen Gesellschaften machten das „Schützenglück“ perfekt.
Das höchste Schützenglück aber formulierte Friedrich Lau in seiner „Geschichte der Stadt Düsseldorf“, 1921 so: „Jeder Schützenkönig erhielt zur Bestreitung der Unkosten von der Stadt eine Beihilfe. Daneben genoß er auch Freiheit von der Personasteuer für ein Jahr. Wer aber glücklich genug war, dreimal die Königswürde zu erringen, durfte sich eines lebenslänglichen Steuererlasses erfreuen.“
Hier ein Auszug aus einem Text von
Hans Müller-Schlösser „über Düsseldorfer
Schützenfeste vor 500 Jahren“, gemeint war das Jahr 1435:
„…die Schützenbrüder zum Schießanger vor den Mauern auf dem Felde bei Pempelfort zogen, um mit Armbrüsten nach dem bunten Vogel zu schießen. Damals wie heute noch schritten die „Flötemännekes“ mit den Trommlern vorauf, Magistratsmitglieder in Festkleidern und die Schützen mit ihren Armbrüsten und Bolzenköchern folgten. Die Blumenverzierungen auf den Kolben aus perlmutter, Silber und Gold blinkten und blitzten in der Sonne. Behäbig gingen die Bürger in faltenreichen Tuchschauben hinterdrein, Arm in Arm mit ihren Frauen, deren weite, bunte Röcke sich bauschten und deren weiße Hauben flatterten. Auf dem Schießplatz standen wie heute allerhand Buden mit Schmuckstücken und Flitterkram, mit süßen Kuchen und anderen Esswaren, Gaukler und Wunderdoktoren produzierten sich auf hohen Brettergerüsten, Fahnen flatterten an bemalten Stangen, die mit grünen Kränzen untereinander verbunden und mit Wappenschildern geschmückt waren.
Und während sich die Bürger mit Essen, Trinken und Spielen belustigten, schossen die Schützen mit der Armbrust nach dem hölzernen Vogel. Das war keine Kleinigkeit. Es gehörten ein starker Arm und ein sicheres Auge dazu. Auf 60 oder 80 Schritt musste der Vogel getroffen werden. Die Armbrust durfte nicht mit dem Kolben an die Schulter gelehnt und auch sonst nirgends aufgestützt werden. Frei mit ausgestreckten Armen musste gezielt werden. Breitspurig stand der Schütze da, die Wamsärmel bis über die Ellbogen aufgestreift. Dass man die harten, braunen Muskeln sehen konnte.“
Dieser bildhaften Beschreibung der Stimmung des Festwiesenbesucher und der Wettkampfslust der Schützen kann man eigentlich kaum noch etwas hinzufügen.
Vielleicht liegt hier und in dem „Recht auf ein erlebnisreiches Schützenfest“ – wie es der Schützenoberst von 1956 formulierte – auch die Ursache, dass vielleicht der Düsseldorfer auch mehr dem Schützenfest über die Jahrhunderte abgewinnen konnte und heute noch kann, als dem Karnevalstreiben. In manchen für die Recherche herangezogenen Texten liest man zwischen den Zeilen sogar die kühne Behauptung, dass Düsseldorf mehr eine Schützen- als Karnevalshochburg ist, und das sogar noch mit Blick auf eine etwas südlicher gelegene Großstadt! In direkter Nachbarschaft sollte dann auch noch darauf hingewiesen werden, dass mit Neuß und seinem riesigen Schützenspektakel rund um St. Quirinus eine sehr starke Schützen-Konkurrenz besteht, deren Ur-Schützenverein aber noch nicht so alt wie die St. Sebastianer zu sein scheint…. Reliquien des Heiligen Quirinus sind aber schon 1050 durch die Neusser Äbtissin Gepa von Rom nach Neuss gebracht worden.
…zu guter Letzt:
Neueste Untersuchungsergebnisse des Amtes für Rheinische Landeskunde 2005 ergeben:
„Das Schützenwesen ist ein typisch rheinisches Phänomen, und die Schützenbruderschaften sind Ausdruck rheinischer Mentalität….Das rheinische Schützenwesen ist nicht in der Krise. Seine gegenwärtige Situation ist sehr stabil. Die Schützen sind mit ihrer Bruderschaft in hohem Maße zufrieden…Die Identifikation mit dem eigenen Ort und eine ausgeprägte Heimatverbundenheit motivieren laut Studie heute noch junge Menschen im Rheinland, sich in der Schützenbruderschaft zu engagieren.“
Zwei Strophen über die Düsseldorfer Schützen
von Monika Voss, 2001:
„Jede Schötz nömmt sech janz vill vör,
steht de Schötzesäsong widder vör de Dör.
Dat Mannbeld steht för de Beauty parat,
von Kopp bes noh de Fööß fein staats jemaht.
Elejante Buxe, jröne Jäckskes,
joldene Knöpp on rode Bäckskes!
Dat Poblikom es wie doll am applodeere,
deht dä Schötzezoch vörbeimarscheere!!!“
Missbrauch von Festen
Wie sehr die Kirmes und die Schützenfeste seitens der „Industriebarone“ in früheren Zeiten als „schädlicher Missbrauch von Festen“ gesehen wurde, „die zum Teil gar keinen Zusammenhang mit dem kirchlichen Leben haben“ und die betroffene Zeit dafür über eine „berechtigte Erholungszeit der Bevölkerung“ hinaus geht, zeigen akribische Berichte und Aufzeichnungen der Handelskammer in Düsseldorf Ende des 19. Jahrhunderts. Da wurde zusammengezählt, dass „an 29 Tagen, davon 17 Arbeitstagen, Kirchweihfeste stattfanden“, die etwa 60 Fabriken gezwungen haben sollen, an diesen Tagen ihre Arbeit einzustellen oder
mit „wegen Trunkenheit zur Arbeit nicht fähigen Arbeitern“ vorlieb nehmen mussten. 338.710 Arbeitsstunden sollen so versäumt worden sein, d.h. auf jeden damaligen Arbeiter in Düsseldorf kamen so durchschnittlich 26 Stunden zusammen. Gezählt wurde hier in Gebieten wie Altstadt, Stadtmitte, Kaiserswerth, Benrath, Garath, Gerresheim, Heerdt, Ratingen und auch Hilden. Auch noch 1905 und 1906 wurden bis zu dreieinhalb Tage der Betrieb in 22 großen Eisenindustrie-Betrieben wegen der großen Kirmes die Arbeit komplett eingestellt.
Dadurch sind den Arbeitern Löhne in Höhe von damals 92.000 (1905) und 102.000 Mark (1906) verloren gegangen. In den gewerbefleißigen Provinzen Rheinland und Westfalen
Wurden Maßnahmen ins Auge gefasst „dem gesamten Festunwesen mit geeigneten Maßregeln, namentlich aber durch Nichtgestattung mehrtäglicher Festlichkeiten, nachdrücklich entgegen zutreten.“ Oder man erklärte sich bereit „in den von ihr vertretenen Kreisen mit allen Mitteln dafür zu sorgen, dass die Volksvergnügungen durch Veranstaltung von Unterhaltungsabenden, Volksspielen und dergleichen veredelt werden.“
Heute sind Großveranstaltungen wie die „Größte Kirmes am Rhein“ die Kassenfüller des Stadtsäckels, des Einzelhandels, der Hotels usw. Fabriken sind ja nicht mehr so viele in Düsseldorf ansässig, somit könnten nicht mehr so viele Arbeitszeiten ausfallen und aus der Wirtschaft und der Industrie gibt es große finanzielle Unterstützung des Düsseldorfer Werbeträgers „Kirmes“.
Kästchen/Marginalie:
Felix Mendelssohn-Bartholdy schreibt am 20. Juli 1834, als die Kirmes noch im Hofgarten stattfand: “Aber heut’ ist Kirmes, das heißt, ganz Düsseldorf trinkt Wein. Nicht, als obs das nicht jeden Tag auch täte, aber es geht spazieren dabei. Nicht, als obs das nicht jeden andern Tag täte, aber es wird getanzt und gejubelt und sich betrunken und wilde Tiere gezeigt und Puppenspiel, und Waffeln auf offener Straße gebacken. Sie wissen ja, was Kirmes heißt. Als neugieriger Zuschauer muss ich auch noch spät abends hin, jetzt aber werde ich mich erst in den Rhein stürzen, mit vielen Malern.“
Kästchen/Marginalie:
Die Kirmes mit seinen Buden erstreckte sich bis hin zum Sicherheitshafen,
wo Albert Küsters sich an folgendes Bild im Jahre 1840 erinnerte:
„Noch schöner war das Bild des Sicherheitshafens zur Zeit der Kirmes und des Schützenfestes. Auf dem rasen der sanft sich senkenden Ufer ringsum bis zu den Hafenköpfen lagerte Düsseldorfs Bürgerschaft, alt und jung, vornehm und gering, in bunten malerischen Gruppen und reihen und harrte des Schifferstechens, Wettschwimmens, Wetttauchens und des Fanges der Taucherenten. Welch brausendes Hurra erschallte, wenn unter den Klängen der Musik auf jeder Seite sechs oder mehr Kähne in Schlachtenordnung vorrückten, jeder Kahn bemannt mit einem Steuermann, zwei Ruderern, und auf dem äußersten Hinterteil des Nachens der Kämpfer in kurzer, bunter Hose und roter Mütze, bewaffnet mit einer mehrere Meter langen Stange, an welcher vorne ein dicker Stechknopf von Tuch oder Leinen oder ein mit Sand gefüllter Ball befestigt war. Fuhren die Kähne los, so suchten die Fechter, welche zusammengeduckt den richtigen Augenblick erspähten, sich gegenseitig ins Wasser zu stoßen; mit Hurra wendete der Sieger zu neuem Kampfe; mancher stürzte, die Kraft des Stoßes unrichtig bemessend oder sein Ziel verfehlend, kopfüber von selbst unter dem Jubel der Menge ins Wasser…“